Abszesse und Fisteln

Ein anorektaler Abszess ist eine unphysiologische abgekapselte Eiteransammlung im Gewebe am After und Mastdarm.  Es handelt sich um eine akute Entzündung, die eine schnelle Behandlung erfordert.

Eine Analfistel ist eine unphysiologische gangartige Verbindung vom Analkanal oder unteren Enddarm zur Haut. Meistens löst der Abszess die Erkrankung aus, in deren Folge  eine Fistel entstehen kann.

Anorektale (periproktitische) Abszesse

Ein periproktitischer Abszess hat in den meisten Fällen seinen Ursprung im Drüsengewebe (Proktodealdrüsen) des Raumes zwischen den beiden Schließmuskeln. Bei diesen Drüsen handelt es sich  um ein Überbleibsel aus der Entwicklungsgeschichte. Diese  Duftdrüsen haben beim Menschen keine Funktion und münden mit einem dünnen Gang im  Analkanal auf der Höhe des Übergangs zwischen Analhaut und Schleimhaut. (Linea dentata).
Wahrscheinlich entsteht der Abszess durch einen Verschluss dieses Ausführungsganges. 

Man teilt die verschiedenen Abszesse nach ihrer anatomischen Lokalisation ein

Therapie des anorektalen Abszesses


Ein anorektaler Abszess sollte umgehend operiert werden. Entscheidend ist die frühzeitige Entleerung mit ausreichender Drainage des Befundes.  Die Wunde wird offen gelassen. In einigen Fällen ist es bereits bei diesem Eingriff möglich, eine Fistel als Ursache für den Abszess zu finden. Dann kann je nach Befund kann die Fistel gespalten oder vorübergehend eine Fadendrainage (siehe unten) eingelegt werden.

Anorektale Fisteln


Analfisteln werden analog wie Abszesse anhand ihrer anatomischen Lokalisation zum Schließmuskel klassifiziert. Bis auf die extrasphinktären Fisteln haben sie ihren Ursprung auf Höhe der Proktodealdrüsen an der Linea dentata.

Extrasphinktäre Fisteln verlaufen durch den Beckenboden.


Daneben gibt es weitere Klassifikationen und Einteilungen, welche aber nicht einheitlich verwendet werden.

Weiterhin gibt es Sonderformen wie zum Beispiel  die Rekto-vaginale Fistel (Fistel vom Enddarm in die Scheide).







Ein prominenter Patient  war der französische Sonnenkönig Louis XIV, welcher ebenfalls an einem  äußerst schmerzhaften anorektalen Abszess  / Analfistel litt. Der König  war sehr geplagt, an Reiten oder andere Aktivitäten war nicht mehr zu denken.  Sämtliche, nach Versailles pilgernde Ärzte, konnten mit ihren heiligen Wässerchen, Pillen und Umschlägen dem königlichen Hintern nicht helfen.   Erst der Chirurg Charles-François  Félix konnte am    18. November 1686 Louis XIV mit einer  proktologischen Operation  helfen und ihn erfolgreich von seinem Leiden befreien.  Nach dem Eingriff wurde der Chirurg reichlich belohnt und in den Adelsstand erhoben Er durfte sich fortan  Charles-Francois Félix de Tassy nennen.  Die bis dahin verrufene Chirurgie wurde durch den König maßgeblich gefördert. 1731 eröffnete   Louis XV die Académie Royale de Chirurgie, wo  künftige Chirurgen ausgebildet werden sollten.

Therapie der Analfisteln


Aufgrund der akuten Entzündung in der Akutbehandlung eines anorektalen Abszesses gelingt es nicht immer, eine Fistel als Ursache der Erkrankung zu finden. In solchen Fällen sollte  im Intervall eine gezielte Fistelsuche erfolgen. Die Behandlung einer Analfistel berücksichtigt zwei Faktoren:

  • die Fistel soll komplett entfernt werden, damit es zu keinem Wiederauftreten der Erkrankung kommt (Rezidiv)
  • durch das therapeutische Verfahren soll die Kontinenz nicht beeinträchtigt werden.


Bisher gibt es keine ideale Methode, welche die beiden Anforderungen optimal erfüllt. Insofern ist jedes Therapieverfahren individuell anzuwenden. Es ist zu berücksichtigen, dass Analfistel prinzipiell behandelt werden sollten, da die resultierenden Entzündungen den Schließmuskel nachhaltig schädigen können.

Fadendrainage

Ein Faden (Seton) wird durch den Fistelgang gezogen und außen verknotet. Als Material kommt in der Regel ein Kunststoffzügel („Vessel-Loop“)  zum Einsatz. Das Verfahren hat zwei prinzipielle Anwendungsformen:

  • Fadendrainage im Rahmen der notfallmäßigen Abszessoperation - wenn eine Fistelspaltung nicht möglich ist - mit später geplantem endgültigem Verschluss der Fistel. Der Faden dient zunächst als Markierung einer Fistel und zur Schaffung eines optimalen Sekretabflusses.
  • Der Faden als Langzeitmaßnahme mit dem Ziel der Schaffung eines stabilen Fistelkanals als Dauerlösung. In der Regel ist dies eine Lösung, wenn anderer Verfahren vom Patienten abgelehnt werden oder eine vollständige Sanierung schwierig bis unmöglich ist.

Fistelspaltung

Fisteln, welche nur einen kleinen Anteil des Schließmuskels erfassen, können gefahrlos gespalten werden. Hierbei wird die Fistel zum Analkanal hin durchtrennt. Die Rezidivrate ist sehr gering, die Kontinenz sollte nicht beeinträchtigt sein.

Plastischer Fistelverschluss

Fistel mit einem beträchtlichen Verlauf durch den Schließmuskel können mit diesem Operationsverfahren behandelt werden. Der Fistelgang wird operativ entfernt. Die innere Öffnung am Analkanal wird mit einer plastischen Technik verschlossen.  Der Schließmuskel wird in diesem Bereich verschlossen und zusätzlich mit einem Verschiebelappen (Flap) mit der Schleimhaut abgedeckt. Der zu behandelnde Bereich muss bei dieser Operationstechnik entzündungsfrei sein.

Fistulektomie mit primärer Sphinkterrekonstruktion

Bei dieser Operationstechnik wird der Fistelgang in seiner kompletten Länge gespalten und das Fistelgewebe entfernt. Der Schließmuskel wird danach wieder zusammengenäht (Sphinkterrekonstruktion).  Die Haut wird bis auf eine Drainagewunde verschlossen. Dieses Operationsverfahren zeigt gute Ergebnisse. In manchen Fällen kommt es allerdings zu Wundheilungsstörungen der Muskelnaht am Schließmuskel. In diesen Fällen muss die Muskelnaht in einer weiteren Operation erneuert werden.

Fistelplug

Der Fistelgang wird mit Hilfe eines dünnen Zylinders aus Schweinekollagen verschlossen. Die Operation ist wenig belastend und stellt für den Schließmuskel ein absolut schonendes Verfahren dar. Allerdings sind die Heilungsaussichten mit dem Fistelplug sehr gering. Das Verfahren kann beliebig oft wiederholt werden.

LIFT-Verfahren

LIFT (=ligation of the intersphincteric fistlula-tract). Diese Operationstechnik eignet sich für transsphinktäre Fisteln. Hierbei wird der Raum zwischen dem inneren und äußeren Schließmuskel präpariert und der Fistelgang  dargestellt. Der Fistelgang wird über diesen operativen Zugang durchtrennt und an seinen Enden abgebunden

Fistelclip

Über einen speziellen Applikator wird ein sogenannter OTSC-Clip (=over the scope clip) eingeführt und die innere Fistelöffnung auf diese Weise verschlossen.

Fibrinkleber / Stammzellinjektion

Es gibt Therapieansätze, den Fistelgang mit speziellen Präparaten (Fibrinkleber) zu verschließen oder eine Heilung durch Stammzellen aus Muskel- oder Fettgewebe zu erzielen.